Seit Jahren, nun schon zum achten Mal, führte der Westerwald-Verein einen Poetischen Spaziergang durch. Diese Wanderungen werden gemeinsam mit dem Autorenkreis Rhein-Erft gestaltet und finden im Rahmen des Literaturherbstes Rhein-Erft in jedem September statt. Als eine wesentliche Vorgabe verlangt der Rhein-Erft-Kreis, einige Veranstaltungen sollen an ungewöhnlichen Orten erfolgen. In diesem Jahr fiel die Wahl auf Kerpen und Schloss Loersfeld. Das in unmittelbarer Nähe zu Kerpen gelegene Schloss wurde erstmals 1262 urkundlich erwähnt. Es erfuhr im Laufe der Jahrhunderte mehrere bauliche Veränderungen. Im Jahre 1865 ließ der damalige Eigentümer den Park im englischen Landschaftsstil umgestalten. Heute zählt Loersfeld zu den schönsten Burganlagen Deutschlands. Der Park ist teilweise für jedermann zugänglich, das Schloss auch. Allerdings benötigt derjenige, der das Schloss besuchen möchte, ein reichlich gefülltes Portemonnaie; denn das seit 1960 an die Familie Bellefontaine verpachtete Schloss beherbergt ein Luxusrestaurant, das seit 1999 mit einem Stern im Guide Michelin ausgezeichnet ist. Die in diesem Jahr aus 18 Wanderern bestehende Gruppe bekam jedoch die Gelegenheit, für den überschaubaren Betrag von 10 € bei herrlichem Sonnenschein ausgiebig frühstücken zu dürfen. Anschließend führte uns Herr Thomas Bellefontaine durch das Schloss.

 

 

 

Zu den poetischen Spaziergängen werden stets Schriftsteller eingeladen, die an markanten oder geschichtsträchtigen Orten kurze Gedichte oder Prosatexte vortragen. In fast allen Fällen gehören die Schriftsteller unter anderem dem Autorenkreis Rhein-Erft an. Aus Berlin reiste Harald Gröhler an, ein mit vielen Preisen ausgezeichneter Schriftsteller. Aus Köln kamen Rolf Polander und Evert Everts sowie aus Bergheim Kay Löffler, der mit seinem Jugendroman „Dorf der Wolkenmacher“ die heutige Protestbewegung um den Hambacher Wald schon zwei Jahrzehnten voraussah.

 

Kerpen erscheint auf den ersten Blick wenig geschichtsträchtig zu sein. Bekannt ist es als Geburtsort des Gesellenvaters Adolf Kolping. An ihn wird an mehreren Stellen im Ort erinnert. Versteckt fanden sich aber insgesamt 15 Stationen von historischer Bedeutung, an denen literarische Texte vorgetragen wurden. Auf eine Besonderheit in der Kerpener Geschichte soll noch hingewiesen werden. Wer in früheren Jahrhunderten das Gebiet des heutigen Kerpen durchwandern wollte, musste vier Grenzen überwinden. Buir, Manheim, Sindorf, Horrem, Türnich und Balkhausen waren Teil des Herzogtums Jülich-Berg. Blatzheim und Türnich gehörten zum Kurfürstentum Köln, aber das heutige Kerpen sowie Mödrath waren durch geschichtliche Entwicklungen 1522 an Spanien gefallen. Erst Napoleon änderte 1794 diesen Zustand. Bis vor kurzem war der Name „Klein-Spanien“ für Kerpen in der näheren Umgebung noch bekannt. Historisch gesehen, waren wir also in Klein-Spanien.

 

Fotos:  Ludwig Kreitner

Text:    Evert Everts